Was ist denn hier los? Jahrzehntelang war die Antwort auf die Frage „wie geht es Dir?“ : „Gut!“ oder, wenn es eher so mittel ist: „Läuft!“ oder, wenn eher schlecht: „Muss!“. Ja, das ist sie, die Generation, für die es immer nur aufwärts ging, die sich redlich mühte, ihre Schäfchen im Trockenen zu halten. Frieden, Sicherheit, ewiger wirtschaftlicher Aufschwung, Mutti regiert, ein ewiges Mantra. Familie, Kinder, gute Jobs, ein Heim, oft sogar ein Eigenes, aufwändige Hobbies, weite Reisen. Den einen oder anderen Rückschlag wie Scheidung, Krankheiten, Jobverlust und einiges mehr gab es zwar auch, aber- hey- wir wuchsen ja immer mit unseren Aufgaben und Niederlagen machten uns nur stärker.

So sitzen wir dann zusammen, erzählen uns meist Schwänke aus unseren Berufsleben, wir sind unser Beruf und der Beruf definiert uns. Manchmal stimmen wir auch ein in die Politik und damit in die allgemeine Aufregung zu aktuellen Themen, oftmals mit einem Hang zum MIMIMI…… Jaja, das Jammern ist auf hohem Niveau, denn materiell geht es uns mehr oder weniger gut. Oder?

Denn es naht der 60ste. Unaufhaltsam. Schnell ist wie immer in Gesprächsrunden abgecheckt: beruflich? „Gut! Läuft! Muss!“ . Familie?: „Läuft!“ . Gesundheit?: „Muss!“ . Politik?: „Oh je!“ Oder auch umgekehrt. Und dann ertönt oft ein zunächst zaghaftes „Na Ja…….“. Darauf hin kommen wir oft auf etwas, was die meisten in unserer Generation verbindet. Wir fragen uns, ob wir so weitermachen wollen, wie es gerade läuft. Ob wir so wohnen wollen, wie wir es tun. Ob wir weiter so arbeiten, reisen, konsumieren, kommunizieren wollen.

Wir sind in eine recht gnadenlose Leistungsgesellschaft hineinsozialisiert worden. Denn die Konkurrenz war groß, wir waren viele. Nur die besten kommen weiter. Die fehlerfreien, die schnellen, die skrupellosen. Es gab Assessments mit übelsten Psychotricks, um Jobs zu bekommen. Hatten wir einen, wurde kaum eine Gelegenheit ausgelassen, darauf hinzuweisen, dass 100 andere nur zu gerne diesen Job hätten. Wir waren austauschbar. „Survival of the fittest“ wurde als „die Stärksten überleben“ interpretiert und gelebt. „Leave no one behind“ war nicht gerade das gesellschaftliche Motto unserer noch jungen Leben. Und als würde das nicht ausreichen, bekamen wir noch mit auf den Weg, wie wichtig Statussymbole sind. Kannste was, haste was, biste was! So das Narrativ.

Wer nicht mitmacht, muss später Pfandflaschen sammeln und stirbt arm und einsam. Ohne die Segnungen der modernen Welt. Oder kann seinen Kindern nichts bieten, so dass sie später Tüten kleben oder auf Stütze angewiesen sind. Ja, da schlich sich die Angst ein, das war ja nicht ganz von der Hand zu weisen.

Also wurden wir flexibel, besonders für den Job. Räumlich und zeitlich sowieso, gedanklich auch. Die Arbeit wurde immer mehr verdichtet, was heute einer macht, machten zu Vaters Zeiten vier. Ich hatte zwischenzeitlich einen sehr ähnlichen Job wie mein Vater, kann es also direkt vergleichen. Computer sorgten so nicht für Erleichterung, sondern Mehrarbeit durch Selbstverwaltung. Wir besuchten Zeitmanagementseminare, liessen uns Coachen, lernten aus unseren Fehlern, übernahmen Verantwortung und liessen uns aufdrücken, dass wir selbst als einfache Mitarbeiter unternehmerische Verantwortung übernehmen. Die Direktive lautete: um Leistung zu bringen, müssen wir uns anpassen und ändern!

Im Gegenzug fuhren die Konzerne und Firmen ihre sozialen Leistungen wie Werkswohnungen, Kindergärten, Gewinnbeteiligungen etc. zurück. Leistung gegen Lohn und sonst nix. Und der Lohn?Verlange nicht zu viel, Du weisst ja, da stehen noch 100 andere…… . Wir erfuhren eine beispiellose Abwertung der sozialen Berufe und eine Adelung der Bullshitjobs. Status wurde wichtiger als Sinn.

Private Rückschläge steckten wir weg. Waren es ja gewohnt, aus den Fehlern zu lernen und uns zu ändern. Was im Berufscoaching gelehrt wurde, kann ja privat nicht ganz falsch sein. Wer es trotzdem nicht schaffte, war jemand, der nicht lernen wollte.

Und jetzt? Jetzt müssen wir für unseren Beruf brennen. Und wir tun das! Wir brennen…… aus!

Warum? Je älter wir werden, je mehr Erfahrungen wir machen, desto empfänglicher werden wir für Angst. Beziehungsweise Angstmache!

Kategorien: Burnout

0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert