Burnout im Speckmantel: das beschreibt meinen Zustand bis vor ein paar Wochen wunderbar zutreffend. Das letzte Drittel meines Lebens brach an, der Job war extrem aufreibend, die Psyche mehr als angekratzt, die vielen kleinen Zipperlein verbanden sich zu großen körperlichen Problemen, eine Depression schaute mal vorbei und wollte dann bleiben und wachsen, kooperierte nur zu gerne mit dem Corona-Virus und zu allem Überfluss zog mich mein Körpergewicht sprichwörtlich runter. Es ging nix mehr, nicht vor und nicht zurück. Alles stand still.

Die kleinen Fluchten funktionierten nicht mehr, nicht das Leben auf dem Campingplatz, nicht das Fahren, Testen und Pendeln mit diversen Speedpedelecs, auch die Trails im schönen Taunus mit dem eMTB halfen nicht, kannte ich ja alle schon und überhaupt……… Was soll das Alles?

Na klar, Ärzte können die diversen Zipperlein behandeln, das richtige Medikament verschreiben und einen anderen Lebenswandel anmahnen. Therapeuten eine differenzierte Sichtweise vermitteln und die richtige Einstellung zum ärztlich geforderten Lebenswandel vermitteln. Aber, the ugly truth, Bruder!: Machen musst Du es selbst!

Weg mit dem Speckmantel, werde munter! Dazu gehört vieles, was ich in einem anderen Blog: „Das letzte Drittel“ beschreibe, bei diesen Zeilen geht es dem Speedpedelecbiker nur ums schnelle Biken für den angemessenen Verlust der schützenden Pfunde. Und auch wenn sich das Biken mit dem Speedpedelec anfühlt wie Rennrad fahren, der Schweiss ordentlich fliesst und die Wattzahlen eine gewisse Anstrengung bestätigen, die Pfunde bleiben. Fitness und Gewicht konservieren geht, das eine hoch, das andere runter ging nicht. Zumindest nicht auf die Art, mit der ein Speedpedelec wirklich Sinn und Spass macht, beim Pendeln. Es ist nicht fair, aber auf dem Rad gilt: wenn Du nicht genug leidest, bleibst Du fett!

Und wo könnte man schöner dem Leiden zuschauen als bei der Tour de France? In diesem Jahr ging das Leiden für die Fahrer schon früh los und das anzuschauen, war für mich……… extremst motivierend. Da schlummert wohl doch der Masochismus in mir. Aus alten Tagen wusste ich ja, wie ätzend es ist, mit dem Rennrad oder Bio-MTB auf den Feldberg zu strampeln. Und wie fit und gut trainiert ich doch damals – Achtung, Oppa erzählt vom Krieg – war. Hmmm, mal sehen, ob Ebay – Kleinanzeigen da was für kleines Budget hergibt. Lehn´ Dich entspannt zurück, gibt bestimmt nix. Mist, da gibt es doch was. Einen Alu – Renner, Custom built by Radsport Lohmann in Kassel, Ultegra komplett, Mavic Laufräder, steif wie ein Brett , 9,5 Kilo mit Pedalen, nur 300 Tacken, 2 Orte weiter. Auf der Probefahrt schrie alles in mir: „lass´ es!“, deshalb nahm ich es gleich mit. Der Masochismus in mir war äusserst befriedigt darüber.

Noch schnell ein bisschen Ausrüstung bei Decathlon besorgt, das Rad aufs Bett des Wohnmobils geschmissen – auf dem Heckträger thronten die Speedpedelecs – und ab in die Bretagne. Vormittags selbst eine Runde leiden, nachmittags den Profis beim Leiden zusehen. So der Plan. Gott, war das unkomfortabel! 8 bar auf den Reifen, null Federung, gebeugte Haltung und Treten mit Cowboy-Beinen, die Wampe war im Weg. Und bremste bergauf ordentlich. Aber bergab gab es ordentlich Speed. Und alles war so leise. Nur das Sirren der Reifen, das Klackern des Freilaufs und der Fahrtwind waren zu hören. Dazu das Rauschen des Meeres aus der Ferne. Zugegeben, aufmerksame Franzosen am Strassenrand hätten von mir ein nettes Repertoire an deutschen Flüchen lernen können. So lange ich noch Luft hatte. Hach, war das schön! Der Plan ging auf. Die Rennrad – Gemeinde hatte mich wieder. Ich wollte für den Rest des Jahres ein paar Mal in der Woche entspannte Runden in Vordertaunus und Wetterau drehen, immer schön im Fitness- Bereich, Grundlagen- Ausdauer, Fettverbrennung und so. Just relaxed Biken.

59ster Geburtstag. Ein paar Tage zuvor rief mir ein Film auf Netflix den Mont Ventoux, den Riesen der Provence, als Punkt für meine noch zu erstellende Bucketlist auf. Ich muss in meiner Geburtstagsnacht davon geträumt haben, an jenem Morgen wachte ich mit dem festen Vorsatz auf, den hessischen Mont Ventoux, den Feldberg, mit dem Rennrad zu bezwingen. Mit 30 war es normal, aber mit 59 und dazu ausgebrannt mit dem Dich umgebenden Speckmantel? Ja Digger, mach´ Du mal.

Auf den 25 km von meiner Haustür auf den Feldberg ist vielleicht einer davon nicht bergauf. Vergiss´ den Fitness- und Fettverbrennungsbereich! Immerhin habe ich noch darauf geachtet, dass der Puls nicht über 150 – 155 geht. Mit der 3 x 9 Ultegra und dem 30er Kettenblatt war das machbar. Und irgendwann war ich oben. Mein Geburtstagsgeschenk an mich.

Und was war die Gipfelwurst lecker….. . Am Kiosk gibt es gefühlt seit Anbeginn der Zeit hausgemachte Räucherwürste. War schon Tradition als Mountainbiker. Bergab dann Speed. 25 km bergauf heisst für den Rückweg: 25 km bergab. Und das ist auf dem Rennrad doch was ganz anderes als auf dem Speedpedelec. Du kannst bergab beschleunigen. Du kannst eine aerodynamische Haltung einnehmen, auch, wenn Dein Rücken anderer Meinung ist. Die Reifen sind super leise, nur das Rauschen des Fahrtwindes ist präsent. Ein Rennrad gehorcht in den Kurven dem leisesten Zucken der Finger. Das ist reiner Speed. Strava zeigte mir auf Anhieb einen Topspeed von 70km/h.

Und natürlich kamen schnell Upgrade- Wünsche auf: eine elektrische Schaltung, Karbonrahmen, Scheibenbremsen und etwas weniger Gewicht sollte es sein. So gut die mechanische Ultegra auch ist, die elektrische schaltet noch schneller, noch präziser. Karbon bietet die Möglichkeit, einen Rahmen exakt gemäss der Belastungen zu designen. Super steif in Lenkkopf und Tretlager sowie seitlicher Belastung, etwas nachgiebiger bei Stößen und vertikalen Belastungen. Es ist komfortabler. Und mit Scheibenbremsen fühle ich mich beim Bremsen aus sehr hohen Geschwindigkeiten einfach wohler, obwohl die Bremsleistung der Felgenbremsen schon sehr gut ist. Und das Gewicht? Na ja, wenn der Radler abnimmt, darf es das Bike auch. Wie ich auf alles kam? Ein Besuch beim Fachhändler und das Gespräch mit dem Verkäufer weckte die Wünsche. Der sah mir genau an, auf welches Bike er mich setzen musste. Leider hatte ich keine 8.999 Euro mit………..

Ebay-Kleinanzeigen zeigte mir ein gut erhaltenes Cannondale Synapse mit wunderschönen Campagnolo – Laufrädern an. eMTB verkauft, dann war das Budget da. Jetzt ist es meins. Ultegra DI2 mit 50/34 und 11-32, 28mm Reifen. Das geht gut bergauf und komfortabel bergab.

Das Synapse gilt ja als Endurance Bike und mit meiner Endurance steht es inzwischen zum Besten. Neulich habe ich mal den ersten 100er in Angriff genommen und einigermassen locker geschafft. Es wurden fast 115km ( mit den nicht aufgezeichneten Fahrten zu den Bahnhöfen ) , nur die letzten 10km taten etwas weh.

Getreu dem Motto: „was nicht auf Strava ist, bist Du nie gefahren“ nutze ich natürlich Strava zusammen mit meiner Apple Watch. Der Fortschritt in Sachen Fitness, Leidens- und Leistungsfähig ist deutlich sichtbar. Das ist schön. Da geht doch was mit fast 60.

Seitdem bin ich regelmässig auf dem Feldberg oder längerer Strecke. Es ist wie eine Sucht. Eine gute Sucht. Leiden lässt nicht nur den Speck schmelzen, es setzt auch ordentlich Endorphine frei. Und bergab Adrenalin. Ich bin da gerne Junkie. Radeln gegen aufkommende Depression funktioniert! Und Speed geht auch Bio 🙂 .

Kategorien: Export

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