„Was ist der Everest für mich?“ In der unbedingt sehenswerten Doku „Mountain Queen“ beschreibt die Bergsteigerin und Rekordhalterin Lhakpa Sherpa den Everest als den Kraftort, der ihr half, alle sie klein machenden und unten haltenden Wiederstände zu überwinden. Dies war vor allem der prügelnde Ehemann, der sich selbst als Bergsteiger in Konkurrenz zu ihr sah und sie in den USA fern von zu Hause trotz ihrer bergsteigerischen Erfolge zur Hausfrau und Mutter degradiert hatte. Mit Ihrer 10. Besteigung des Everest konnte sie auch diesen Dämonen überwinden und die Kraft wieder finden, sich von diesem Mann auch mental zu lösen, ihr Leben zu ändern und ihren Töchtern ein Vorbild sein.
Was ist mein Everest, woher beziehe ich meine Kraft? Für mich war es immer die Vorstellung, der Mont Ventoux solle mein Sehnsuchts – und Kraftort werden. Doch erst mal sollte es eine Nummer kleiner sein, der Feldberg im Taunus, ein Zehntel des Everest……….
Am 4. August 2023, meinem 59. Geburtstag, stand ich völlig fertig, aber glücklich, auf dem grossen Feldberg im Taunus und schwor mir, am 60sten auf dem Mont Ventoux, der Legende der Tour de France, zu stehen.
Nun, daraus wurde nichts………….
Stattdessen stand ich 2 Wochen nach meinem 60sten auf der Edelweißspitze in 2571 Metern Höhe, nachdem ich das das Monster der Ostalpen, die Grossklockner Hochalpenstrasse , von Süden aus bezwang. Glücklich und nicht ganz fertig……..
Wie Ihr sehen könnt, lag es nicht nur am Outfit oder dem Material.
In diesem Jahr zwischen Feldberg und Edelweißspitze ist einiges mit mir und in mir passiert.
Zunächst habe ich – krankheitsbedingt nicht ganz freiwillig – meinen Job quittiert und zur Ideenfindung Work&Travel gemacht. Anfang 2024 zuerst in einem Yoga-Kloster, in dem ich durch Mediation, Yoga, Küchenarbeit und Gespräche mit tollen Menschen meine Gedanken sortieren konnte. Danach auf einer Alpaka Farm, wo ich den Alpakas meine neu sortierten Gedanken präsentiert habe. Alpakas sind gute Zuhörer, probiert es mal aus……….
Ohne ein gutes und gesundes Körpergefühl hätte das alles nicht funktioniert. Veränderung muss auch spürbar sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Ernährungsumstellung und intensives Rennradfahren brachten mich unmittelbar aus der Komfortzone raus. Das Ergebnis: Diabeteswerte und Blutdruckwerte im Normalbereich, 30 Kilo weniger und eine damit einhergehende wunderbare körperliche Leichtigkeit.
Jetzt bin ich Reiseleiter für Bikereisen, zertifizierter Bike-Guide und zertifizierter Fitness- und Personal Trainer. Seit Beginn diesen Jahres habe ich unglaublich viel Neues gelernt, Kultur und Geschichte, Technik und Recht, Anatomie, Physiologie, Trainingsmethoden und Fitnessgeräte……..und mein 60jähriges Hirn machte mit! Mit Spass!
Der eigentliche Lohn dieser Veränderungen ist das wiedergewonnene Vertrauen in die eigenen körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten. „Ist halt so, wenn mann 60 wird“ ist als ewiges Mantra durch „da geht noch was!“ in mir ersetzt.
War also der Glockner mein Everest? Muss ich noch 3,5 mal rauf, den Everest nach Höhenmetern zu erklimmen? Oder 10x am Stück dazu auf den Feldberg, um die Kraft und Mächtigkeit des höchsten Berges der Erde zu bekommen? Ihr merkt schon, suggestive Fragen :-)…….
Mit der Überfahrt des Grossklockners und mit ein paar Runden in die steilen Hängen der friaulischen Alpen konnte ich meine innerhalb eines Jahres gewonnene mentale Kraft und den sehr guten körperlichen Zustand bestätigen. Was mich sehr glücklich machte, denn ich bin auf dem richtigen Weg. Doch ich spürte, das war nicht mein Everest. Und der Mont Ventoux wird es dann auch nicht sein.
Zeit, noch mal in mich zu gehen und auch einige gute Gespräche zu führen. Was ist denn nun mein Everest, welcher Ort gab mir die Kraft?
Es war der Feldberg, der gute alte Feldberg im Taunus. Mein Hausberg. Im Sommer laut und überfüllt, im Winter kalt und windig.
Wenn man ihn ein paar Mal erklommen hat, scheint er nicht mal allzu anspruchsvoll. Eher ein Scheinriese. Und doch………, im Sommer bei fast 30 Grad 2 mal hochfahren ergibt er auch schon einen Ventoux. Zum Abschluss einer >130 km Tour kann er ganz schön weh tun. Weh tut manchmal auch der STRAVA – Wettbewerb gegen mich selbst.
Und im Winter bei minus 5 Grad, Wind und Nebel musste ich oft schon ganz schön wollen, um oben anzukommen. Während der Auffahrt komme ich oft in einen Gedankenflow, das Bike kennt den Weg. Herrlich auch, ab November den Gipfel oft ganz für mich zu haben. Mystisch ist der Feldberg auch, ein entscheidender Teil der Nibelungensage spielt hier.
Dann die Abfahrt: mit ganz neuen Ideen und Gedanken tauche ich wieder in die Geschäftigkeit des Rhein-Main-Gebietes ein und komme meist glücklich erschöpft zu Hause an……..
Mein Everest ist damit weniger der Berg an sich. Es ist der zwar immer gleiche, sich aber doch immer wieder unterscheidende Weg. Den ich mal mit guten, mal mit schlechten Beinen angehe. Mal mit beflügelnden, mal mit bremsenden Gedanken fahre. Mal zufrieden, mal verärgert. Aber immer anders. Wichtig ist es, oben anzukommen und in dem Bewusstsein, es immer wieder schaffen zu können, zufrieden den Rückweg anzutreten.
Wäre meine Passion nicht das Rennrad, sondern Laufen, Schwimmen oder Klettern, wäre wahrscheinlich ein ganz anderer Berg, ein besonders schöner See oder ein Felsen mein Everest. Hauptsache, körperliche Herausforderung, die Zufriedenheit des Ankommens und gute Gedanken auf dem Rückweg.
Was ist Euer Everest? Wenn Ihr es herausfinden wollt und dazu das Rennrad nehmt, werde ich Euch helfen, ihn zu finden…………..
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