Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Die ollen Römer wussten das. Schaue ich heute mit etwas Abstand auf meinen körperlichen und geistigen Zustand von Anfang des Jahres 2023, kann ich es so zusammenfassen:

Burnout im Speckmantel

Soooo schlecht habe ich mich in meinem Körper gar nicht gefühlt. Ein BMI von 31, laut BMI-Rechner der Techniker ein leichtes Übergewicht. Andere sprechen von Adipositas, die TK nicht. Gut, dass ich wählen kann. Ich kam im 4. Stock nicht völlig aus der Puste, lief oft die 3 km zur Arbeit, fuhr viel eBike für die Grundlagenausdauer, konnte beim Umzug noch ordentlich Kisten schleppen. Beim Arbeiten hielt ich lange durch, war flott und konzentriert, alles um mich herum bewegte sich meistens in Zeitlupe. Ich nahm trotz häufiger Stressbewältigung mit Schokolade und Gummibärchen nicht wesentlich zu, konnte gefahrlos ein oder zwei oder auch drei Bierchen zischen. Ich wog nur 6 kg mehr als zu meinen besten Bikezeiten. Hey, ich bin der fitte Dicke.

Eine Tablette gegen Bluthochdruck, eine gegen Gicht, ab und zu Schmerzmittel, ab und zu was gegen Sodbrennen. Nicht schlecht für 58, da haben andere mehr. Rücken ist auch nicht ungewöhnlich schmerzhaft, habe ja viel geschleppt im Leben. Ok, optisch, besonders im Profil, könnte ich theoretisch was optimieren und „stell Dich mal hinter dem Dicken an“, was ich mal in einer Schlange hinter mir gehört habe, war sicher auch nur ein Ausrutscher eines Menschen ohne Brille. Ganz sicher war es nicht so gemeint. Und noch bekam ich Klamotten im Outdoorshop, wenn auch nicht alle. Mein Teint war rosig, die Haut gut gefüllt. Alles straff. Ein richtiger Mann. This is not a beer belly, this is a tank of a sex machine!

Warum aber bin ich oft so müde? So abgeschlagen? So gereizt? So wütend? Kann ja nicht schaden, mal wieder zu meiner Ärztin zu gehen. Blutdruck? Zu hoch, Medikamente wirken nicht, kein Wunder bei dem Stress. Muss nur mal richtig entspannen. Harnsäure = Gicht? Immer am oberen Anschlag, habe ich mit Schmerzmitteln im Griff. Zucker? Ja ja, wird zu hoch sein, aber Gummibärchen helfen bei Stress. Blut im Urin? Oh, jetzt wird es ernst, könnte auch ein Tumor sein. Aber ist sicher nur ein Effekt einer Infektion, man wird ja anfälliger, wenn der Stress zur Dauerbelastung wird.

Das auch, sagte meine Ärztin. Dein Zucker war das ganze letzte Jahr viel zu hoch, Du hast Diabetes. Über den hohen Blutdruck muss ich Dir ja nichts erklären, von selbst geht der nicht weg. Und die Gicht auch nicht. Und beim Tumorverdacht solltest Du auch nicht auf das Prinzip von Schrödingers Katze setzen: so lange Du nicht hinguckst, kann es auch ungefährlich sein. Tu was!

Habe ich es schon erwähnt? Das Ganze war in der Corona-Zeit. Und in meinem Job gab es kein Corona. Im Gesundheitswesen. Also, es gab es schon: für die Kunden und als Ausfallgrund aller Mitarbeitenden um mich herum. Und mit allen Massnahmen, die Unsicherheit, Arbeitsbelastung und Stress schürten. Aber Corona gab es nicht fürs Tagesgeschäft: Arbeiten im Büro, Kundenbesuche, Hilfestellungen bei Kunden zu Hause, jede Menge Menschenkontakte in geschlossenen Räumen. Viele taten so, als wäre nichts, als sei alles Business as Usual. Impfung durch, Lockdowns durch, Omikron durch, fertig ist die Pandemie, es geht weiter, wie gewohnt, nur ohne Angst. Und wie es weiter ging, aber hallo, schliesslich müssen wir die schlechten Pandemiezeiten ja aufholen, die Kunden warten und endlich können wir auch mit den internen Prozessen richtig loslegen. Los, los, los………….. „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ – wer kennt diese Textzeilen noch?

Und ich dachte auch, ich wäre durch. Doch die Omi Kron holte mich dann doch noch. Ich konnte richtig merken, wie das Virus die Schwachstellen im Körper abcheckte, um sich Angriffspunkte zu holen. Der alte Body wurde mal so richtig auf den Prüfstand gestellt. Ich bildete mir sogar ein, dass das Virus den möglichen Tumor in der Blase abcheckte. Als die Omi Kron damit fertig war, konnte ich meinen Body kaum noch in den ersten Stock hochwuchten. Die Schwerkraft machte sich durch den Speckmantel so richtig bemerkbar. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben Angst, dass mich mein Body im Stich lassen könnte.

Viel frische Luft, die Umstellung der Ernährung auf völlig zuckerfrei und die Tatsache, dass nur ein harmloser Zellhaufen für die Blutung verantwortlich war ( Jungs: Blasenspiegelung ist kein Spaziergang und Vorsicht und Einfühlsamkeit gehört nicht zu den erforderlichen Skills eines Urologen! ) machte mich immerhin wieder arbeitsfähig.

Aber der Geist wollte nicht mehr. Ich sass paralysiert vor meinem Bildschirm, durfte noch nicht mal was Essen. Das mit dem fitten Dicken war endgültig vorbei: mens insana in corpore insano, der alte Body und der alte Geist wollten nicht mehr: Burnout im Speckmantel.

Kategorien: ÄngsteSport

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