Inzwischen bin ich durch fast völligen Zuckerverzicht, mein selbstauflegtes Zwischendurchsnackverbot, die Umstellung der Ernährung hin zu mehr Gemüse, Eiweiss und gutem Fett – nur dem guten Fäähhdd, wie man es ausspricht – sowie mehr Training auf dem Rennrad und im Studio als je zuvor in meinem Leben, in einem Jahr etwa 27kg Gewicht losgeworden. Damit wiege ich etwa so viel wie zuletzt mit 20 (plus/minus) und bin auf dem Rennrad fit wie zuletzt mit 30. Kann mich sogar ohne Strava noch daran erinnern. Diabetes 2 ist nach 2 halbjährlichen Checks laut meiner Ärztin erst mal passé, nur der Blutdruck und die Gelenkschmerzen wollen noch nicht so recht auf Normalmass zurück, sind aber jetzt eher im gelben als im roten Bereich. Ich bin immer noch steif wie ein Brett, das alte Holz biegsamer zu machen, ist logischerweise das nächste Projekt für den alten Body. Yoga hilft. Körper also auf dem richtigen Weg. Schlank, fit, beweglicher, los gehts!

Aber mein Geist, dieses gemeine evolutionäre Gedächtnis, bleibt lieber noch Dick und Bräsig in seiner Steinzeithöhle hocken und fordert wohl, dass doch noch was Ordentliches zu Essen vorbeikommt und der Bewegungsdrang ins Leere läuft. Sein Idealgewicht ist ja das zuletzt erreichte Höchstgewicht und er gibt nicht auf, da wieder drauf hinzuarbeiten. Und damit ich das auch schön mache, tut er einfach so, als sei ich immer noch dick. Bloss nicht umgewöhnen. So ertappe ich mich oft dabei, dass ich noch stöhne und mich schwer wie in alten Zeiten aus dem Ohrensessel, in dem ich gerne schreibe, hochwuchte. Oder ich ziehe mich am Stuhl hoch, wenn ich vom Boden aufstehe. Natürlich auch mit Stöhnen. Bücken ist so ungelenk, als wäre noch die Wampe im Weg. Wieder Stöhnen, diesmal in Erwartung des Rückenschmerzes, der seltsamerweise ausbliebt. Macht nix, präventives Stöhnen schadet ja niemandem. Merke ich das jedoch vorher und konzentriere mich auf die Situation, fällt mir alles ganz leicht, ohne Stöhnen. Und bin ganz erstaunt darüber, wie leicht es ist, aus den Knien heraus vom Boden freihändig aufzustehen.

Auf dem Rad ertappe ich mich dabei, dass ich, wenn ich auf Autopilot laufe, immer weiter hinten drin sitze und schwer bergauf trete. Und sogar anfange zu schnaufen. Auch präventiv, die Luft könnte ja nicht reichen. Kurz aufgewacht, drei schnelle Tritte und schon geht es wieder leichter und schneller bergauf. Der Geist will 119 kg Gesamtgewicht inkl. Klamotten und Bike hoch schleppen, der Körper nur 93. Und das bei gestiegener Fitness.

Und dann die Proportionen. Der kleine nicht loslassende Geist kommt nicht ganz damit klar. Schliesslich ist es ja schon fast 40 Jahre her, dass er diesen Körper so proportioniert steuern musste. Meine Hände sind an den dünnen Armen so weit weg, dass sie fast nicht mehr zu mir gehören, fast schon eine Body Integrity Identity Disorder. Keine Sorge, sie bleiben dran! Beine und Füsse wollen auch bewusst gesteuert werden, sonst machen sie auch auf +27kg. Und dann erst mal eine Schlafposition finden: vor einem Jahr noch waren die Beinknochen schön weich umhüllt, jetzt liegen sie knochenhart aufeinander. Im Wortsinn. Dafür lässt sich dann der olle Body im Sitzen schön nach vorne fallen, konnte sich ja auf der Wampe abstützen.

Oh, ja, Ihr mögt jetzt lachen, verwundert den Kopf schütteln, Euch fragen, warum erzählt Oppa jetzt wieder vom Kriech? Und ist doch toll, die übergewichtsbedingten Probleme los zu sein, was soll das MiMiMi? Frohlocke und sing Halleluja!

Vor allem, weil es eine interessante Erfahrung aus der Rubrik „warum erzählt das Keiner?“ ist. Und es ist auf seine Weise ziemlich lustig. Insta und YouTube wimmeln nur so von Erfolgsgeschichten von Leuten, die eine bessere Version ihres Ichs geworden sind, aussen und innen. Probleme? Niemals! Und doch………………


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