Hunger und Durst, das stand auf einer Tasse, die ich von einer meiner Töchter geschenkt bekam. Natürlich fand ich das sehr lustig, wusste aber auch, dass das so nicht stimmt, bin schliesslich auch mit unserem evolutionären Gefühlskit ausgestattet. Was dagegen stimmt: ich zeige meine Gefühle recht ungern. Also das, was wirklich im mir vorgeht, tarne ich recht gerne. Wut und Aggression leisten gute Hilfe oder sind einfach ein Ventil. Gute Stimmung oder Verständnis sind dabei eher selten das Resultat dieser Art, nach Aussen Gefühle zu zeigen. Innen ist es meist etwas anders. An guten Tagen gelingt es mir recht gut, neutral zu bleiben. Nach aussen Commander Data – ich gestehe, ich bin Trekkie – , kontrolliert verwirrt, nach innen Counseler Troy, den Gefühlen folgend.

In der Therapie und aus diversen Büchern habe ich allerdings gelernt, dass wir, egal, ob Männlein, Weiblein oder Diverslein, die gleichen Urgefühle haben: Angst, Wut, Trauer, Freude, Ekel, Überraschung, Schuld und Scham. Jedes dieser Gefühle will uns was sagen oder uns warnen. Es sagt uns: Hirn einschalten, Nachschauen, Nachdenken, Achtsam sein und so weiter. Wir können sie zwar etwas steuern, also dem Gefühlskit das Mindset entgegenstellen, dabei auch steuern, welche Intensität wir zulassen, doch ganz abstellen geht nicht. Und doch versucht es wahrscheinlich jeder von uns, denn in diesen Gefühlen schwingt nach allgemeiner Ansicht Negativität mit, zumindest glauben das viele. Und Negativität, das wollen wir ganz und gar nicht, wir wollen und sollen ja positiv sein. Etwas leisten, Gutes tun, Rücksichtsvoll sein, immer Lächeln, immer voran. Bis die Gesichtsmuskeln krampfen. Ja Männer, nur die Harten kommen in den Garten, nur, wer seine Gefühle im Griff hat, ist ein echter Mann. So entstehen Legenden, hunderte, ach was, tausende Jahre lang. Hier spielt uns die Zivilisation wieder übel mit. Gefühle gelten als negativ, die Warnungen werden überhört. Wäre ja auch blöd für die, die uns zu was auch immer anstacheln – Cum Ex zum Beispiel – wenn wir dabei plötzlich unserer Schuld und Scham über den Betrug freien Lauf lassen würden.

Dann gibt es noch andere Gefühle, so Sachen wie Liebe, Glück, Zufriedenheit, Mitgefühl, Erfüllung, Leidenschaft, vielleicht fällt Euch noch mehr ein. Als echte Männer und antrainierte echte Kerle geniessen wir das auch eher still. Und wenn, geben wir es im engsten Kreise mal zu, dass wir was fühlen. Denn Gefühle zeigen, dass ist was für Frauen! Hach, die sind ja so gefühlsbetont.

Puh, es war und ist für mich nicht leicht, in dieser Welt zu fühlen und Gefühle zuzuordnen und zu bewerten. Und das Data = Android sein ist ein Schutzschild. Na gut, zu Wut und Aggression als maximalem „negativem“ Gefühlsausdruck oder Lachen als maximal „positivem“ Gefühlezeigen kommen testosteronabnahmenbedingte Tränen hinzu. Bei Happy End´s muss ich immer weinen. Immer öfter auch, wenn ich in Handlung und Personen Ähnlichkeiten zu schwierigen Umständen in meinem Leben zu erkennen meine und fühle. Wohl dem, der eine beste Lebenspartnerin von allen hat, die das dann erkennt. „Wie süss, Du zeigst Gefühle!“ ist da allerdings selten hilfreich. Sehr selten. Sehr sehr selten………..also eher gar nicht……….

Aber dass sie es merkt, ist hilfreich. Sehr sogar. Über Gefühle reden gelingt mir nämlich nicht besonders gut. Irgendwie läuft es oft auf das gleiche hinaus wie das Zeigen. „Ich liebe Dich“ klappt zwar ganz gut, „ich bin sauer“ aber noch viel besser und schon sind wir wieder bei Wut, diesmal verbal. Also wieder I Robot. Versuchen, mit wohlgesetzten Worten neutral auszudrücken, was ich innerlich nicht ganz greifen kann.

Ich musste fast 60 Jahre alt werden, um überhaupt mal Gefühle jeder Art zuzulassen und ihnen „hinterher zu fühlen“, ihnen nachzugehen, über sie nachzudenken und darüber zu lesen bzw. in einer Therapie darüber zu lernen. Ich glaube, ich bewerte und gewichte Gefühle zu schnell und zu absolut nach sozialisierten Kriterien positiv und negativ. Gefühle zulassen und zuzuhören, was sie mit eigentlich mitteilen wollen, erfordert Übung. Gefühle sind nicht positiv oder negativ, sind sind einfach da.

Warum erst jetzt? Weil’s jetzt geht. No more need to hide, kein Verstecken mehr. Karriere ist eh´ im Eimer, zu spät. Ich will jetzt auch weder Cum-Ex-Banker noch Soldat noch Politiker werden. Das Thema Personalverantwortung ist für mich durch. Zu meinen Liebsten will ich offen sein, sie können mich nehmen, wie ich wirklich bin. Und mein Umfeld suche ich mir so aus, dass ich fühlen kann und darf. Nach Gefühl nämlich.

Geht es nur mir so? Nein, natürlich nicht. Wir Menschen fühlen alle gleich. Aber wie gehen alle damit um? Schwer zu sagen, wir reden ja nicht drüber……….


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